Statistik 30. März 2023

Rechtsmotivierte, rassistische und antisemitische Gewalt in Sachsen 2022

2022: Opferberatungsstellen in Sachsen zählen 205 rechtsmotivierte Angriffe, von denen mindestens 314 Menschen direkt betroffen waren. Nach zwei durch die Corona-Pandemie geprägten Jahren, normalisierte sich das gesellschaftliche Leben zwar wieder, aber rechtes Protestmilieu beeinflusst weiterhin das politische Klima. Zum Jahresende spielte die Aufnahme Geflüchteter eine verstärkte Rolle. In sächsischen Schwerpunktregionen ist eine gewalttätige rechte Raumnahme zu beobachten.

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Die Opferberatungsstellen in Sachsen zählen 205 rechtsmotivierte Angriffe, von denen mindestens 314 Menschen direkt betroffen waren. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Plus von acht Prozent. Seit Jahren liegt die Zahl der Angriffe in Sachsen auf ähnlichem Niveau. Die Jahre 2015 und 2016 weisen jedoch besonders hohe Werte auf, da hier in einer aufgeladenen, ablehnenden bis feindseligen Stimmung gegen die Aufnahme Geflüchteter vor allem rassistische Angriffe sprunghaft anstiegen. 2018 waren es die rassistischen Ausschreitungen im Sommer in Chemnitz, die zu erhöhten Angriffszahlen führten.

Rechtes Protestmilieu beeinflusst weiterhin politisches Klima

Nach zwei durch die Corona-Pandemie geprägten Jahren, normalisierte sich das gesellschaftliche Leben 2022 wieder. Beschränkungen fielen schrittweise weg, öffentliches Leben fand wieder statt. Rechtsmotivierte Gewalt im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen spielte kaum mehr eine Rolle. Geblieben sind rechte Verschwörungsideologien auf deren Basis vor allem vermeintliche politische Gegner*innen angefeindet werden. Die Pandemie wurde als Thema weitestgehend abgelöst von russischem Angriffskrieg und Energiekrise. In dieser Lesart betrachtet man Russland vor allem als Opfer einer westlichen Verschwörung, sich selbst als Verfechter des Friedens und die Energiekrise als gewollt, da es völlig unnötig sei, auf günstiges russisches Gas und Öl zu verzichten. Dahinter sieht man „die Grünen“, die damit die Energiewende gegen die „deutschen Interessen“ durchsetzen wollen. Die Vorstellung einer von geheimen Mächten gesteuerten Elite die „das Volk“ unterdrücken, manipulieren oder gar austauschen wollen, bleibt hier also die gleiche. Unter diesen Vorzeichen fanden auch 2022 zahlreiche rechte Demonstrationen in Sachsen statt, bei denen es zu rechtmotivierten Gewalttaten sowohl gegen Journalist*innen als auch gegen Gegendemonstrant*innen kam. Zum Jahresende spielte die Aufnahme Geflüchteter und deren Unterbringung in Städten und Gemeinden eine verstärkte Rolle. „Freie Sachsen“, AfD und „Querdenken“ versuchten die eingeübten Mobilisierungen um dieses Thema zu erweitern, was nicht an jedem Ort gleich gut gelang.

Während die Protest(laut)stärke in Dresden-Sporbitz oder Chemnitz-Einsiedel deutlich hinter den Erwartungen der Veranstalter zurückblieb, die seit November dort gegen die Einrichtung von Unterkünften für Asylsuchende demonstrieren, bedurfte es im Landkreis Bautzen gar keiner Demonstrationen. Dort stellten Landrat Udo Witschas (CDU) mit bundesweit beachteter Weihnachtsansprache und der Kreistag mit einem positiven Beschluss zu einem AfD-Antrag zukünftig Integrationsleistungen für ausreisepflichtige Asylbewerber zu streichen, klar, dass man nicht bereit sei Geflüchtete in den Kommunen des Landkreises, ohne große bürokratische Hürden aufzunehmen. Ende Oktober bereits schafften bislang noch immer unbekannte Täter mit einem Brandanschlag auf das als Gemeinschaftsunterkunft geplante Spreehotel in Bautzen Fakten. Ermittlungserfolge des sächsischen LKA blieben bislang aus.

Im Landkreis Nordsachsen setzen sich die bereits seit Dezember laufenden Diskussionen in den Stadt- und Gemeinderäten seit Januar 2023 mit Kundgebungen der „Freien Sachsen“ und der AfD fort. Mehrere Hundert Teilnehmende zogen Mitte Januar in Laußig vor das Gemeindeamt, wo sich gerade der Bürgermeister (parteilos) mit Landkreisvertreter*innen traf und stellten klar: „Wir wollen nicht, dass Ausländer in unser Dorf kommen!“, was der Bürgermeister mit Verständnis quittierte. In Strelln, einem Ortsteil von Mockrehna, demonstrierten Ende Januar ebenfalls 200 Menschen gegen die Unterbringung 100 Geflüchteter. Sie skandierten „Wir wollen keine Asylantenheime“ vor einer Gaststätte, in der der Bürgermeister (parteilos) gerade zur geplanten Unterkunft informierte. „Nein zum Heim!“ war zu lesen und kriminalisierende Stereotype zu hören. Bereits seit Anfang Januar demonstrierten „Freie Sachsen“ und AfD gegen die Inobhutnahme von zwölf unbegleiteten Minderjährigen im mittelsächsischen Ort Kriebethal. Hier hatte schon eine Bürgerinitiative mit Rückendeckung der Bürgermeisterin (Freie Wähler) Unterschriften gegen die Aufnahme der Kinder und Jugendlichen gesammelt, aus Sorge wegen fehlender Angebote im Ort und zu wenig Betreuung und Ängsten, weil „in Verbindung mit jungen Ausländern in Deutschland in letzter Zeit so viel passiert“ sei, wie die Bürgermeisterin mehrfach in Interviews die Ablehnung begründete. Dennoch grenzt sie sich deutlich von „Freien Sachsen“ und AfD ab, in Kriebethal selbst stellten sich Menschen unter dem Motto „Herz statt Hetze“ gegen die rassistischen Spaziergänge und auch der mittelsächsische Landrat (parteilos) hat sich mehrfach schriftlich und in Veranstaltungen klar zu Wort gemeldet. Eine Drohung, das Gebäude anzuzünden, nahm das Landratsamt ernst und ließ nicht nur dieses, sondern alle Geflüchtetenunterkünfte im Kreis bewachen. Und auch Sozialministerin Petra Köpping (SPD) stellte in einer Mitteilung Ende Januar klar: "Die mancherorts wieder aufflammende pauschale Ablehnung dieser Menschen finde ich unsäglich, genauso wie die oft unangemeldeten Demonstrationen, die klar erkennbar von Rechtsextremisten angeführt oder begleitet werden. Ich hatte eigentlich gehofft, dass sich 2015 nicht wiederholt."

Die Unterbringung Asylsuchender in sächsischen Gemeinden ist wieder Thema, bislang zum Glück (noch) nicht so mobilisierungsstark und flächendeckend feindselig wie vor acht Jahren. Dennoch wirkt sich die von rechts verbreitete rassistische Hetze bereits aus. Das zeigen der Brandanschlag in Bautzen sowie Brandsätze, die Unbekannte zum Jahrestag der Pogrome in Rostock Lichtenhagen 1992 auf eine Geflüchtetenunterkunft in Leipzig-Grünau warfen. 2023 kam es bereits zu Attacken auf die geplanten Unterkünfte in Nordsachsen. Im Februar schlugen Unbekannte die Fensterscheibe eines in Frage stehenden Gebäudes in Laußig ein, im März platzierten Unbekannte mehrere Stahlstäbe in der Zufahrtsstraße zum geplanten Areal in Strelln.

Umso wichtiger ist es, dass die Gefahr rassistisch motivierter Anschläge und Angriffe seitens Politik und Behörden ernst genommen und nicht durch Verlautbarungen befeuert wird, die Geflüchtete und deren Unterbringung als unlösbares Problem, potentielle Bedrohung oder als „von oben“ aufgezwungen darstellen. In einem solchen Klima werden nicht nur gewalttätige Angreifer*innen bestärkt, sondern Betroffene werden zudem alltäglichen Anfeindungen und Beleidigungen ausgesetzt.

Gewalttätige rechte Raumnahme in sächsischen Schwerpunktregionen

Der Landkreis Nordsachsen war zusammen mit dem Landkreis Leipzig in den vergangenen Jahren immer eine Schwerpunktregion in Sachsen. In den Jahren der eskalierenden rassistischen Gewalt in Sachsen 2015 und 2016 stand die Wurzener Region im Landkreis Leipzig im Fokus, seit 2018 sind verstärkt auch wieder die angrenzenden nordsächsischen Regionen auffällig, von Oschatz bis Torgau im Osten, weniger von Eilenburg bis Delitzsch im Norden. Besonders häufig waren rechtsmotivierte Angriffe 2022 im nördlich von Leipzig gelegenen Taucha. Dort wurde im Juni ein Jugendlicher zunächst von zwei Personen bedrängt und geschlagen und anschließend über mehrere Stunden festgehalten, offenbar um Informationen und das Beseitigen linker Graffiti im Ort zu erpressen. Solche Aktionen gegen Nichtrechte und Alternative oder politische Gegner*innen, aber auch gegen PoC, sind typisch für zumindest in Ansätzen organisierte Neonazis, ebenso wie Angriffe aus Gruppen heraus. Damit beanspruchen sie den öffentlichen Raum für sich, schüchtern jene ein, die sie für sich als Feinde ausmachen und gegen die sich ihre Ideologie richtet. Auch in den Landkreisen Zwickau und Bautzen, die 2022 mit Nordsachsen die Schwerpunkte rechtsmotivierter Gewalt außerhalb der Großstädte bilden, sind es kameradschaftsähnliche Gruppierungen, auf die sich die hohen Angriffszahlen zum Teil zurückführen lassen. So nehmen in Bautzen junge Neonazis auch jugendkulturelle Räume ein und attackierten im letzten Herbst jugendliche Skater*innen. In Zwickau griff eine Gruppe einen Mann an, während sie ihn rassistisch beleidigte und Naziparolen skandierte. Zum CSD in der Stadt wurde eine Person offenbar aufgrund ihrer sexuellen Orientierung angegriffen, zuvor warfen Rechte bereits einen Gegenstand auf eine Teilnehmergruppe der Demonstration für die Rechte von LGBTIQ*. In Limbach-Oberfrohna drangen im Sommer zwei Neonazis, bewaffnet mit Teleskopschlagstock, in ein Haus ein, in dem sich auch der Infoladen "La Bombanera" befindet. Nachdem sie wieder rausgedrängt werden konnten, skandierten sie mit zwei Herbeitelefonierten rechte Parolen und zeigten den Hitlergruß. Auch die Angriffe auf anreisende Gegendemonstrant*innen am 1. Mai zeigen das Gewaltpotential organisierter Neonazistrukturen in der Region. Die neonazistische Kleinstpartei "III. Weg" hatte nach Zwickau mobilisiert. Zuerst griffen ca. 50 Neonazis am Chemnitzer Hauptbahnhof den Zug nach Zwickau und die in ihm befindlichen Gegendemonstrant*innen mit Steinen und Flaschen an und attackierten mehrere Personen mit Fahnenstangen sowie Schlägen und Tritten. Zwei Haltestellen später, in Glauchau, wurde der gleiche Zug ein weiteres Mal mit Steinen und Flaschen angegriffen und versucht sich mit Gewalt Zugang zu den Abteilen zu verschaffen. Die Polizei konnte 37 Angreifer in der Nähe des Glauchauer Bahnhofs festsetzen. Gegen sechs hat die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Landfriedensbruch und Sachbeschädigung erhoben, gegen alle Weiteren wurde das Verfahren eingestellt. Die Verhandlung am Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal steht noch aus.

Darüber hinaus zeigt sich rechte Raumnahme nicht allein durch physische Gewalt. Anfeindungen und Drohungen, Beleidigungen und immer wieder kleine Sachbeschädigungen sowie eine starke Präsenz im öffentlichen Raum bspw. durch Schmierereien, Parolen und Demonstrationen zeigen ebenso Wirkung. Anpassungsdruck und Vermeidungsstrategien der potentiell Betroffenen können sogar zu einem trügerischen Rückgang der Angriffe führen, wie aktuell im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge oder im Erzgebirgskreis. Die Folgen auf individueller Ebene sind für Betroffene oftmals immens: nicht nur die Erfahrung eines permanenten Bedrohungsgefühls, sondern auch die persönliche Einschränkung in der Gestaltung des Alltags und der Freizeit, Gefühle der Ohnmacht und Isoliertheit. Gerade letztere werden verstärkt, wenn Betroffene keinerlei Unterstützung und Solidarität erfahren.

Umso wichtiger ist es sich an die Seite der Betroffenen zu stellen und die Versuche rechter Akteur*innen, Orte und Regionen für sich und ihre ausgrenzenden, abwertenden und feindseligen Haltungen in Anspruch zu nehmen, deutlich zurückzuweisen.

Die Zahlen im Überblick

Die Großstädte Dresden und Leipzig (50) weisen seit Jahren sachsenweit die höchsten Angriffszahlen auf – sowohl absolut als auch im Verhältnis zur Einwohner*innenzahl, während sich Chemnitz (14) auf dem Niveau der Spitzen-Landkreise bewegt. In der Landeshauptstadt war 2022 ein deutlicher Anstieg um 31% auf 64 Angriffe zu verzeichnen (2021: 49). Auch in den Schwerpunkt-Landkreisen Nordsachsen (+17%, 14) und Bautzen (+63%, 13) sind gestiegene Angriffszahlen zu verzeichnen, im Landkreis Zwickau hingegen wurden wie in den Vorjahren 13 Angriffe registriert. Im Landkreis Leipzig sind die Angriffe hingegen erneut zurückgegangen (-23%), dennoch liegt er mit 10 Angriffen wie in jedem Jahr deutlich vor den anderen Landkreisen: Mittelsachsen (7), Görlitz (6), Vogtland (6), Meißen (5), Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (2), Erzgebirge (1).

Die Statistik für die Stadt Leipzig ist in Kooperation mit der Opferberatung der RAA Leipzig e.V. entstanden.

Im Verhältnis zur Einwohner*innenzahl bleibt das Bild der Schwerpunkte rechter Gewalt in Sachsen fast unverändert. Je 100.000 Einwohner*innen wurden in Dresden (11,5) und Leipzig (8,3) die meisten Angriffe verübt. Der Landkreis Nordsachsen (7,1) platziert sich mit seiner geringen Bevölkerungsdichte noch vor der Großstadt Chemnitz (5,8), gefolgt von den Landkreisen Bautzen (4,4), Zwickau (4,2) und Leipzig (3,9), sowie mit Abstand Vogtland (2,7), Görlitz (2,4), Mittelsachsen (2,3), Meißen (2,1), Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (0,8) und Erzgebirge (0,3).

Der Anteil der Fälle, in denen Anzeige erstattet wurde, erreicht wie in den zurückliegenden Jahren einen Anteil von ca. ¾. 74% der Fälle, d.h. 151, sind nachweislich polizeibekannt, lediglich 34 wurden nicht angezeigt, in 20 Fällen ist es uns nicht bekannt. Von diesen 151 polizeibekannten Gewalttaten sind aktuell 84 Fälle offiziell als PMK rechts gewertet, soweit dies aus den vom Innenministerium im Zuge kleiner Anfragen im Sächsischen Landtag herausgegebenen Straftaten "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" hervorgeht.

2022 wurden knapp die Hälfte der Angriffe (95) aufgrund von Rassismus, darunter antimuslimischer, antiromaistischer und antischwarzer Rassismus, verübt. 51 Angriffe richteten sich gegen politische Gegner*innen, darunter 12 gegen Journalist*innen. In 23 Fälle richtete sich die Gewalt gegen Nichtrechte und Alternative, in 21 Fällen gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung/geschlechtlichen Identität. Zwei Angriffe waren sozialdarwinistisch motiviert. In dreizehn Fällen blieb das konkrete Tatmotiv unklar, zumeist aufgrund mangelnder Angaben zum Themenfeld in den Antworten auf die monatlichen kleinen Anfragen zu PMK rechts im Sächsischen Landtag.

Im Vergleich zum Vorjahr haben Angriffe gegen LGBTIQ* massiv zugenommen (+163%). Dabei handelte es sich vor allem um Körperverletzungen (16). Die meisten dieser Angriffe wurden in Dresden (6) und Leipzig (8) verübt, aber auch in Chemnitz (1) sowie in den Landkreisen. Bemerkenswert ist, dass mehrere dieser Attacken im Umfeld von CSD-Demonstrationen stattfanden, in Dresden am 2. September, in Döbeln am 24. September und in Zwickau am 1. Oktober. Nur wenige Tage zuvor wurden bereits zwei junge Männer von einer Tätergruppe in Chemnitz verletzt.

Überwiegend handelte es sich bei den Angriffen 2022 um Körperverletzungsdelikte (147). Neben einfachen (71) und gefährlichen Körperverletzungen (74) sind darunter eine schwere Köperverletzung/versuchte Tötung und eine Körperverletzung im Amt. Zwei Brandstiftungen wurden verübt. In 47 Fällen handelte es sich um Nötigung oder Bedrohung. Zudem wurden vier massive Sachbeschädigungen und fünf Sonstige Gewalttaten, wie Raub oder Landfriedensbruch, verübt.

Gefährliche Körperverletzungen sind der häufigste Straftatbestand unter den rechtsmotivierten Gewalttaten. Dabei handelt es sich entweder um Angriffe mit einem gefährlichen Gegenstand, zum Beispiel ein Messer oder um Angriffe von mehreren Tätern, wie hier beispielweise von einer „Männertagsgruppe“ in Dresden. Beide Brandstiftungen wurden an Geflüchtetenunterkünften verübt. Am 26. August, dem Jahrestag der Pogrome on Rostock-Lichtenhagen 1992 in Leipzig-Grünau und am 28. Oktober in Bautzen auf das Spreehotel, was kurze Zeit später wieder von Asylsuchenden bezogen werden sollte.

2021 wurde nicht mal ein Viertel (44) der Angriffe im öffentlichen Raum verübt, weniger häufig als in den zurückliegenden Jahren. Aber auch die Angriffe auf Wohnungen bzw. im Wohnumfeld sind mit nunmehr 15 deutlich zurückgegangen (Vorjahr 26). Die Angriffe bei Demonstrationen sind mit 33 gleichgeblieben. Unter den spezifisch benennbaren Angriffsorten ist das Demonstrationsumfeld neben Öffentlichen Verkehrsmitteln (14) und Bahnhöfen/Haltestellen (19) einer der häufigsten Orte rechtsmotivierter Gewalt. Angriffe im Demonstrationsumfeld richteten sich vor allem gegen politische Gegner*innen (18), wie hier in Radeberg, darunter Journalist*innen (11) wie hier in Wurzen. Aber auch LGBTIQ* waren beim CSD betroffen.

Von den 205 Angriffen sind mindestens 314 Menschen direkt betroffen gewesen. Zum größten Teil waren dies Männer (141) und in erster Linie Erwachsene (181), aber auch Jugendliche (44) und Kinder (24) wurden aus rechten Motiven angegriffen.

Beratung Betroffener rechtsmotivierte und rassistischer Angriffe 2022

2022 unterstützten, begleiteten und berieten die Beratungsstellen des RAA Sachsen e.V. in insgesamt 253 (2021: 257) Beratungsfällen. In diesen wurden 328 Menschen unterstützt, sowohl Betroffene als auch Angehörige, Freund*innen oder Zeug*innen. Ein Beratungsfall wird in der Jahressstatistik dann gezählt, wenn mindestens eine Unterstützungsleistung im Berichtsjahr erfolgt ist. In der Beratungsstatistik des RAA Sachsen e.V. werden Fälle, die durch den RAA Leipzig e.V. beraten werden, nicht berücksichtigt. In der Stadt Leipzig bieten sowohl der RAA Sachsen e.V. als auch der RAA Leipzig e.V. Beratung für Betroffene rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt.

  • 174 dieser Beratungsfälle wurden im Jahr 2022 neu begonnen, 79 stammen aus den zurückliegenden sieben Jahren, vor allem aus 2020 und 2021.

  • 119 der laufenden Beratungsfälle konnten abgeschlossen werden.

  • 89 der 174 in 2022 neu begonnenen Beratungsfälle wurden im selben Jahr abgeschlossen, dabei handelte es sich häufig um Verweisberatungen aufgrund psychischer Erkrankung, Rechtlicher Fragen oder Sonstiges, aber auch um Beratungen Betroffener mit wenig Unterstützungsbedarf bzw. konkretem Anliegen oder Informationsbedarf

  • In 152 dieser Beratungsfälle war ein rechtsmotivierter Angriff Anlass für Betroffene, Unterstützung zu suchen. 101 dieser Beratungsfälle hatten einen anderen Beratungsanlass, z.B. Bedrohungen unterhalb der Gewalttat, Beleidigung, Diskriminierung oder rechtliche Fragen.

Die 152 Angriffe, die den Beratungsfällen zugrunde liegen, stammen nicht alle aus dem Jahr 2022. Es können ebenso Angriffe aus vergangenen Jahren sein, deren Betroffene jedoch noch immer von den Beratungsstellen unterstützt werden. Ein Beratungsfall kann sich je nach polizeilicher Aufklärung, juristischer Strafverfolgung oder notwendiger psychosozialer Beratung über mehrere Jahre erstrecken.

  • 65 der 152 Angriffe, die Anlass von Beratungsfällen sind, fanden im Jahr 2022 statt. Das heißt auch, dass bei jedem dritten der im Jahr 2022 gezählten Angriffe (205) Betroffene die Beratung des RAA Sachsen e.V. in Anspruch nahmen.

  • Bei den 152 Angriffen, die Anlass einer Beratung waren, handelt es sich vor allem um rassistisch motivierte Körperverletzungsdelikte. Auch in zwei zurückliegenden Mordfällen wurde weiterhin beraten.

Beratungsnehmende

In den 253 Beratungsfällen, die 2022 bearbeitet wurden, wurden insgesamt 328 direkt und indirekt Betroffene unterstützt: 255 direkt Betroffene, 9 Mit-Angegriffene, sowie 64 Angehörige, Freund*innen, Zeug*innen oder Personen des weiteren sozialen Umfelds. Diese Beratungsnehmenden waren zu über der Hälfte männlich und zwischen 18 und 40 Jahren alt.

Unterstützungsleistungen

Zu den Beratungstätigkeiten der Opferberatungsstellen gehören vor allem psychosoziale Beratungsgespräche, die Unterstützung im Strafverfahren zur Wahrnehmung der Betroffenenrechte, die Begleitung zu Aussagen bei der Polizei oder zu Gerichtsverhandlungen. Außerdem vermitteln und begleiten die Berater*innen zu Rechtsanwält*innen, Ärzt*innen, Psycholog*innen oder weiteren passenden Angeboten. Sie unterstützen Betroffene und/oder Hinterbliebene in Entschädigungsverfahren oder in der fallbezogenen Öffentlichkeitsarbeit.

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