Pressemeldung 19. April 2024

Opferberatung Support veröffentlicht Jahresstatistik zu rechtsmotivierter Gewalt in Sachsen 2023

248 rechtsmotivierte Angriffe, von denen mindestens 380 Menschen direkt betroffen waren +++ ein deutlicher Anstieg um 21% im Vergleich zum Vorjahr +++ stabile Schwerpunktregionen in den Großstädten und den Landkreisen Zwickau, Leipzig und Bautzen, neu Görlitz +++ Rassismus weiterhin das häufigste Tatmotiv, Zunahme von Angriffen auf Nichtrechte und Alternative, Angriffe auf LGBTIQ* Personen weiterhin hoch, sechs antisemitische Angriffe +++ Merkliche Zunahme von Bedrohungen

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Die höchsten Angriffszahlen sachsenweit weisen die Großstädte Leipzig (70) und Dresden (42) auf. In Leipzig sind sie um 40% gestiegen (2022: 50), in Dresden um 34% gesunken (2022: 64). Einen deutlichen Anstieg um 64% hat Chemnitz (2023: 23; 2022: 14) zu verzeichnen. Schwerpunktregionen sind außerdem wieder die Landkreise Zwickau (21), Leipzig (17) und Bautzen (17), neu hinzu kommt der Landkreis Görlitz (17). Die bereits 2022 beobachtete Entwicklung einer zunehmend gewalttätigen rechten Raumnahme setzte sich im Jahr 2023 fort und breitete sich weiter aus. Dazu erklärt Andrea Hübler:

„Junge Kameradschaften, Kleinstparteien wie der III. Weg oder die Heimat, bzw. deren Jugendorganisationen rekrutieren Jugendliche, gründen neue Stützpunkte und sind mit Aktionen sichtbar. Das bleibt nicht ohne Folgen. Mit einem verstärkten Auftreten neonazistischer Organisationen und einem Zuwachs an jungen Neonazis geht auch eine Zunahme rechtsmotivierter Gewalttaten einher. Sowohl rassistisch motivierte Angriffe als auch Angriffe gegen Nichtrechte und Alternative haben deutlich zugenommen. Vor allem letztere Betroffenengruppe gerät, wie auch politische Gegner*innen, in den Fokus organisierter Neonazis.“

Bei den 248 rechtsmotivierten, rassistischen und antisemitischen Angriffen im Jahr 2023 handelte es sich überwiegend um Körperverletzungsdelikte (157), in 79 Fällen um Nötigung/Bedrohung. Letztere sind 32% der gezählten Vorfälle und im Vergleich zum Vorjahr (47) ist das ein deutlicher Anstieg.

Dazu weiter Andrea Hübler: „Bedrohungen haben im Bereich der rechtsmotivierten Gewalt wieder eine zunehmende Bedeutung. Betroffene sollen eingeschüchtert werden – wie in Bautzen, wo Neonazis Jugendliche in einem Jugendclub umstellten und massiv bedrohten. Oder in Sebnitz, wo ein Nachbar aus rassistischen Motiven eine Familie mit einer Schreckschusspistole bedrohte und in die Luft abfeuerte. Die Täter*innen beanspruchen für sich und ihr Weltbild Dominanz, vor allem in Regionen, in denen extrem rechte Parteien in Stadt- und Kreistagen und Neonazi-Gruppen auf Straßen und Plätzen präsent sind.“

Über die Hälfte der Angriffe (129) wurden 2023 aufgrund von Rassismus verübt. 33 Angriffe richteten sich gegen politische Gegner*innen, 29 gegen Nichtrechte und Alternative, 20 gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung/geschlechtlichen Identität. Ein deutlicher Anstieg ist mit sechs Angriffen bei antisemitisch motivierten Gewalttaten zu erkennen – drei davon standen in Zusammenhang mit dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 in Israel. Vier Angriffe waren sozialdarwinistisch motiviert. In 26 Fällen blieb das konkrete Tatmotiv unklar.

Andrea Hübler abschließend: „Der Anstieg rechtsmotivierter Gewalt in Sachsen ist mit Blick auf die bevorstehenden Kommunal- und Landtagswahlen besorgniserregend. Gerade in Wahlkampfzeiten ist damit zu rechnen, dass politische Gegner*innen ins Visier geraten – alle demokratischen Parteien, besonders aber Grüne und Linke als Hauptfeindbild der extremen Rechten, aber auch Menschen die sich angesichts der von der AfD ausgehenden Gefahr gegen Rechts und für Demokratie einsetzen. Und in Zeiten in denen Neonazis denken, ausreichend politischen und gesellschaftlichen Rückhalt zu haben, bekommen die Folgen vor allem jene zu spüren, die in unserer Gesellschaft marginalisiert und diskriminiert sind – also Menschen die von Rassismus, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Queerfeindlichkeit betroffenen sind. Dem gilt es in den nächsten Monaten entschlossen entgegenzutreten und unmissverständlich, offen solidarisch an der Seite der Betroffenen zu stehen.“

Die Fachberatungsstelle Support für Betroffene rechter Gewalt des RAA Sachsen e.V. unterstützt in Sachsen seit 2005 Opfer rechtsmotivierter, rassistischer und antisemitischer Gewalt bei der Bewältigung der Tatfolgen und dokumentiert darüber hinaus diese Angriffe. Im Jahr 2023 haben wir sachsenweit in 309 Beratungsfällen beratend und unterstützend zur Seite gestanden.

Die Zusammenfassung der Statistik ist unter Nennung des Urhebers frei verwendbar und abrufbar unter: www.raa-sachsen.de/statistik

Auf unserer Webseite finden Sie zusätzlich ein Tool, mit dem sie die Angriffszahlen der letzten Jahre einsehen können.

Für Rückfragen wenden Sie sich an:

Andrea Hübler (Geschäftsführung Beratung RAA Sachsen e.V.)

Mail: andrea.huebler@raa-sachsen.de

Telefon: 0351 500 2567

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