Prozessdoku 15. Mai 2025

Prozesstag 2: Aufarbeitung der rassistischen Ausschreitungen 2018 in Chemnitz

Am 14.05.2025 fand der 2. Prozesstag am Landgericht Chemnitz, in dem zu Straftaten im Rahmen der rechten Ausschreitungen am 01.09.2018 in Chemnitz verhandelt wird, statt. Auch der zweite Prozesstag am Landgericht Chemnitz beginnt mit Verzögerung: Erneut erscheint Lasse Richei über 15 Minuten zu spät.

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Vor Beginn der Zeugenvernehmungen weist Nebenklagevertreter Özata darauf hin, dass RA Schönfelder Pierre B. bereits in einem abgetrennten Verfahren zum selben Tatkomplex ab Dezember 2023 vertreten habe. Schönfelder erwidert, dass er Pierre B. als Anwalt nicht mehr vertrete. Er sei zwar als Pflichtverteidiger bestellt worden, jedoch nur für einen einzelnen Termin. Pierre B.s Verfahren wurde bereits im Dezember 2023 aufgrund von Krankheit abgekoppelt. 

Die Verhandlung wird für eine Viertelstunde unterbrochen, damit die Vorsitzende Richterin Schubert sich zur neuen Faktenlage beraten kann. Anschließend teilt sie mit, dass im Nachgang der Hauptverhandlung am 11.12.2023 beschlossen wurde, das Verfahren mit Pierre B. abzutrennen. Dort hatte die 4. Strafkammer auch entschieden, dass Schönfelder nicht mehr Pflichtverteidiger von B. ist und abgeordnet wird. Zu dem Zeitpunkt war er zwar schon Richei beigeordnet gewesen, allerdings gab keine nennenswerten Überschneidungen.

Die Vorsitzende Richterin richtet eine deutliche Warnung an die Angeklagten: Ihr Verhalten im Sitzungssaal werde Konsequenzen für den weiteren Verlauf des Verfahrens haben. Künftig könnten etwa auch für sie die strengen Einlasskontrollen gelten, die derzeit nur für das Publikum vorgesehen sind. Ihre Worte dürften sich vor allem auf das Verhalten von Lasse Richei am Vortag beziehen – er war deutlich verspätet erschienen und beschäftigte sich während der Verhandlung mehr mit seinem Handy als mit dem eigenen Verfahren. 

Für den zweiten Prozesstag waren ursprünglich fünf Polizeibeamte als Zeugen geladen. Ein Zeuge fällt aus, es wird geplant ihn am 01. Juli 2025 erneut zu laden.

Der erste geladene Polizist sagt aus, dass er Schwierigkeiten habe sich an den Fall zu erinnern. Außerdem gebe es keine polizeilichen Unterlagen zu dem Vorfall mehr. Es wird der angefertigte Vermerk des Polizisten aus der Akte verlesen. Demnach kam er zum Bernsbachplatz, nachdem dort einige Rechte nach den Angriffen von bayrischen Polizeieinheiten gestellt wurden. Der zweite Zeuge erklärt, selbst nicht vor Ort gewesen zu sein, jedoch durch Zuarbeit der Bereitschaftspolizei eine Lichtbildmappe angefertigt zu haben. Auch er gibt an keine Akten zum Fall mehr zu haben, außerdem fällt es auch ihm schwer sich an konkretes zu erinnern. Es wird die durch ihn angefertigte Lichtbildmappe angesehen, der dazugehörige Vermerk aus der Akte verlesen. In der Lichtbildmappe sind vor allem Fotos der Täter, nachdem diese am 1. September 2018 am Bernsbachplatz in Chemnitz gestellt wurden. Bei einigen sind Verletzungen an den Händen, Blutspritzer auf Kleidung und Schuhen oder Vermummungsgegenstände zu sehen. Beide Zeugen erwähnen wiederholt die lange Dauer  des Verfahrens und damit verloren gegangene Erinnerungen. Nach der Aussage des zweiten Zeugen werden Beweisvideos von einem Tatort und der zuvor stattgefundenen rechten Demonstration gesichtet, anschließend wird die Sitzung für knapp eine Stunde bis zur Ankunft des nächsten Zeugen unterbrochen.

Der dritte Zeuge gibt an, dass das polizeiliches Auskunftssystem Daten nach drei Jahren löscht, er sich dementsprechend nicht richtig vorbereiten konnte und er sich zudem nicht mehr gut an den Fall erinnern könne. Im weiteren Verlauf wird überprüft, dass die Lichtbildmappe die er damals anlegte auch hier vorliegt. 

Nach der Mittagspause sagt der vierte und letzte Zeuge des Verhandlungstags aus. Er war mit der Auswertung von Videomaterial befasst. Er gibt an, dass es ihm nach fast sieben Jahren schwer falle sich zu erinnern. Es werden Bild- und Videoaufnahmen vom Tatort Annaberger Str./Moritzstr. gezeigt. Der aussagende Polizist gibt an, die Angeklagten Lasse Richei, Marvin C. und Kevin J. dort während seiner Auswertung erkannt und seine Ergebnisse in einer Lichtbildmappe niedergeschrieben zu haben. Er wird von den Rechtsanwält*innen der Angeklagten zur Herkunft von in der Lichtbildmappe enthaltenen Informationen und Bildern befragt. Rechtsanwältin Reichel und Rechtsanwalt Wirz hinterfragen die Arbeit des Zeugen wiederholt, indem sie ihn auffordern die Personen und Hinweise, welche er in der Videoauswertung erkannt haben will, im Gerichtssaal auf ausgedruckten, stark verpixelten Screenshots zu identifizieren. Der Zeuge gibt an, dass ihm das Material im Rahmen seiner Auswertung in einer höheren Qualität und als Videoaufnahmen vorlag. Mit dem Ende der Befragung dieses Zeugen endet der zweite Verhandlungstag gegen 15:30 Uhr.

Für die folgenden Prozesstage werden Betroffene als Zeug*innen geladen.

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