Pressemeldung 2. Februar 2022

RACIAL PROFILING: Verwaltungsgericht Dresden erklärt Handeln der Bundespolizei für rechtswidrig

Das Verwaltungsgericht Dresden urteilt zu einem Fall von Racial Profiling 2018 in Chemnitz. Ein wichtiges Urteil, denn nur selten wird die Rechtmäßigkeit von Polizeikontrollen verhandelt. Der Fall, den „Support“ begleitet, zeigt, dass die polizeiliche Praxis bei sogenannten anlasslosen Kontrollen auf den Prüfstand gehört.

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Mit nunmehr zugestelltem Urteil vom 18. Januar 2022 erklärte das Verwaltungsgericht Dresden die /„durchgeführte Kontrolle des Klägers (Identitätsfeststellung, Verbringung auf die Dienststelle, Fixierung sowie körperliche Durchsuchung, Durchsuchung von Sachen und Anwendung von unmittelbarem Zwang)“/ für rechtswidrig.

Ein Schwarzer Kläger hatte sich gegen eine am 13.03.2018 am Hauptbahnhof Chemnitz durchgeführte Kontrolle gewehrt. Dass Gericht führte aus, dass /„die Hautfarbe des Klägers für den Entschluss, ihn einer Befragung und Kontrolle zu unterziehen, zumindest mitursächlich gewesen ist“ /und stellte daher einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Artikel 3 Grundgesetz fest.

Der Kläger war durch die Polizei, nachdem er sich weigerte seinen Ausweis auszuhändigen, weil er die Kontrolle als rassistisch ansah, gewaltsam zu Boden gebracht, fixiert und auf die Dienststelle gebracht worden, wo er sich kurzzeitig komplett entkleiden musste. Aufgrund seiner Verletzung musste sich der Kläger in ärztliche Behandlung begeben.

Als Beratungsstelle „Support“ für Betroffene rechter und rassistischer Gewalt des RAA Sachsen e.V. begleiten wir den Betroffenen in diesem Fall. Mit unserer und anwaltlicher Unterstützung geht er mit juristischen Mitteln gegen die Praxis des Racial Profiling vor.

Andre Löscher, Opferberater bei Support: /"Für den Kläger ist dieses Urteil eine große Erleichterung und Grund zur Freude. Die Belastung durch den ungewissen Ausgang des Verfahrens wog schwer über die Jahre. Er hofft, dass dieses Urteil eine Strahlkraft hat und daran mitwirkt, polizeiliches Handeln diskriminierungsarmer zu gestalten." /

Andrea Hübler, Fachreferentin bei Support: /„Solche Fälle haben für die Betroffenen nicht allein physische Folgen. Das Gefühl der öffentlichen Demütigung und Stigmatisierung als Kriminelle, kann sich auf die psychische Gesundheit der Betroffenen auswirken. Dabei ist es egal, ob sie die Kontrollen jedes Mal über sich ergehen lassen oder es zur verbalen oder gar körperlichen Auseinandersetzung kommt.“ /

Rechtsanwältin Dr. Kati Lang, die den Kläger vertrat, zu Urteil und Bedeutung dieses Verfahrens: /„Das Urteil ist ein Erfolg im Kampf gegen rassistische Polizeipraxis. Es reicht aber nicht, dass rechtswidrige Vorgehen immer wieder im Nachhinein gerichtlich klären zu müssen. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, endlich Regelungen zu schaffen, die Diskriminierung nicht Tür und Tor öffnen.“/

Zum Hintergrund:

Es handelt sich um Racial Profiling und damit um ein rechtswidriges polizeiliches Vorgehen, wenn die Auswahl einzig und allein nach Merkmalen, wie der Hautfarbe erfolgt. Es braucht einen konkreten Anlass. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) kommt 2020 zu dem Ergebnis, dass es in Deutschland starke Indizien für ein ausgeprägtes Racial Profiling gäbe.

Sogenannte verdachtsunabhängige Kontrollen sind häufig Ausgangspunkt für gewaltvolles polizeiliches Handeln, insbesondere, wenn Betroffene diese als rassistisch motiviert benennen, sich beschweren oder weigern sich schon wieder auszuweisen.

Bundes- und landespolizeiliche Regelungen begünstigen die Praxis des Racial Profiling auf einer strukturellen Ebene, sodass nicht von einem Fehlverhalten einzelner Beamt*innen gesprochen werden kann. Das kritisieren seit Jahren Menschenrechtsorganisationen und ECRI.

Im Koalitionsvertrag einigten sich die sächsischen Regierungsparteien darauf, dass /„Betroffene anlassloser Kontrollen zukünftig als Nachweis eine Kontrollbescheinigung [erhalten].“/ Solche Kontrollquittungen sollen für mehr Transparenz polizeilichen Handelns sorgen. Auf den Quittungen sollen die konkreten Anhaltspunkte, die die Polizei zur Kontrolle veranlasste, festgehalten werden. Expert*innen sehen darin ein Mittel dem Problem des Racial Profiling zu begegnen. Umgesetzt ist diese Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag bislang nicht.

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