Pressemeldung 19. September 2025

Drittes Verfahren zu Chemnitzer Neonazi-Angriffen endet – Betroffene bleiben ohne Gerechtigkeit

Nach nur zwei kurzen Verhandlungstagen hat das Landgericht Chemnitz das dritte Verfahren im Zusammenhang mit den Angriffen auf Teilnehmende der Gegendemonstration „Herz statt Hetze“ am 1. September 2018 eingestellt. Bereits am ersten Prozesstag deutete das Gericht diese Entscheidung an. Am zweiten Tag erfolgte schließlich die vorläufige Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage von 750€ für beide Angeklagten.

Kopie von Jugendverfahren (1080 x 400 px).png

Dafür mussten sich die Angeklagten einlassen. Beide gaben über ihre Verteidiger an, am 01.09.2018 in Chemnitz an einer rechten Demonstration teilgenommen zu haben, sich dann mit einer größeren Gruppe von der Demonstration gelöst zu haben und durch die Stadt gelaufen zu sein. Einer der Angeklagten gab an, dass die Gruppe ca. 45 Personen umfasste. Davon seien 30 sehr aggressiv gewesen, hätten Parolen gerufen und wären teils vermummt gewesen. Er habe Schläge gesehen und sich daraufhin von der Gruppe entfernt. So ähnlich, aber weniger detailliert beschrieb auch der zweite Angeklagte das Geschehen. Beide wollen weder Parolen gerufen noch selbst zugeschlagen haben. 

Damit endet nun das dritte Verfahren im Komplex Chemnitz 2018 ohne Beweisaufnahme, ohne Anhörung von Zeug*innen und ohne juristische Konsequenzen für die Täter.

„Wir hatten keine Erwartungen mehr – und genau das hat sich bestätigt. Wieder gibt es für uns keine Gerechtigkeit“, so eine der Betroffenen. „Die schnelle Einstellung zeigt, wie wenig Gewicht unsere Erfahrungen in diesem Verfahren hatten.“

Ein anderer Betroffener ergänzt: „Die Angriffe damals waren brutal und gezielt. Doch für uns bleibt nach sieben Jahren nur die Erfahrung, dass die Justiz unsere Perspektive nicht würdigen will.“

Auch die begleitenden Beratungsstellen ziehen ein bitteres Fazit: „Nach drei Verfahren und sieben Jahren bleibt festzuhalten: Die Betroffenen der rechten Gewalt 2018 in Chemnitz erleben keine Gerechtigkeit vor Gericht“, sagt Anna Schramm von der Beratungsstelle SUPPORT. „Die Verfahren wurden verschleppt, Einstellungen und Freisprüche häufen sich. Das ist ein fatales Signal – sowohl für die Betroffenen als auch für alle, die sich rechter Gewalt entgegenstellen.“

Hintergrund

Am 1. September 2018 griffen bundesweit angereiste Neonazis und rechte Gewalttäter gezielt Menschen an, die an der Gegendemonstration „Herz statt Hetze“ teilgenommen hatten. Es kam zu körperlichen Angriffen, massiven Bedrohungen, Beleidigungen und Hetzjagden. Unter den Angreifenden befanden sich bekannte und zum Teil vorbestrafte Neonazis.

Das erste Verfahren zu diesen Angriffen endete Anfang 2024 mit Einstellungen, das zweite am 27. August 2025 mit drei Freisprüchen und einer weiteren Einstellung. Das nun abgeschlossene dritte Verfahren bestätigt diese Linie: keine Aufarbeitung, keine Anerkennung des erlittenen Unrechts und keine Gerechtigkeit für die Betroffenen.

Eine ausführliche Prozessdokumentation findet sich unter:

https://www.raa-sachsen.de/support/prozessdokus

Kontakt:

SUPPORT für Betroffene rechter Gewalt
Chemnitz        
0371 4 81 94 51        
opferberatung.chemnitz@raa-sachsen.de

www.raa-sachsen.de/support

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