Meldung 26. April 2021

Webdoku „Gegen uns - Betroffene im Gespräch über rechte Gewalt“ für Grimme Online Arward nominiert

Nach nunmehr drei veröffentlichten Episoden wurde unsere Webdokumentation www.gegenuns.de, die sich seit dem letzten Jahr bereits mit dem „Einheitspreis 2020“ schmücken darf, am 22. April 2021 für den Grimme Online Award 2021 nominiert, in der Kategorie „Information“.

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Jorge Gomondais Mutter Luisa Nhandima Gomondai

Mit dem Anspruch, den Fokus konsequent auf die Betroffenen und die Hinterbliebenen von rechten Gewalttaten zu legen, ging „Gegen uns“ am 6. April 2020 mit der ersten Episode online und thematisierte zuerst den Mord an Jorge Gomondai in Dresden. Jorge Gomondai war 1981 als Achtzehnjähriger aus Mosambik in die DDR gekommen und begann in Dresden als sogenannter Vertragsarbeiter im Schlachthof zu arbeiten. Die Episode „Gegen uns - Der rassistische Mord an Jorge Gomondai“ berichtet von seinem Leben in Mosambik, in der DDR und nach der Wende. Nach zehn Jahren Leben in Dresden wurde Jorge Gomondai in der Nacht zum Ostersonntag, dem 31. März 1991, auf der Fahrt in das Wohnheim, in dem er als ehemaliger Vertragsarbeiter nach wie vor leben musste, in der Straßenbahn am Dresdner Platz der Einheit (heute Albertplatz) von Neonazis angegriffen, beleidigt und aus der fahrenden Bahn gestoßen. Er erlangte nie wieder das Bewusstsein und starb am 6. April 1991 in der Medizinischen Akademie Dresden.

Dass es der Filmemacherin Julia Oelkers gelang, die Familie in Mosambik zu interviewen, ist eine große Stärke der Webdokumentation. So kommen in der Episode zu diesem ersten rassistisch motivierten Todesfall in Sachsen nach der Wende die Familie von Jorge Gomondai in Mosambik sowie Freund:innen und solidarische Menschen als Betroffene und Hinterbliebene selbst zu Wort. Nicht nur der ignorante Umgang der Stadt mit den Hinterbliebenen ist ein Thema, auch das zivilgesellschaftliche Engagement, vor allem von Migrant:innenselbstorganisationen, um ein würdiges und angemessenes Gedenken werden von 1991 bis in die Gegenwart dargestellt.

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Auch eine weitere Episode von „Gegen uns“ beschäftigte sich mit einem Mord in Dresden: dem antimuslimischen Mord an Marwa El-Sherbini, die am 1. Juli 2009 im Dresdner Landgericht in einem Berufungsverfahren die rassistische Beleidigung bezeugen soll, die ihr und ihrem kleinen Sohn ein Jahr zuvor auf einem Spielplatz in der Dresdner Johannstadt zugefügt worden war. Der Angeklagte in diesem Verfahren stach sie am Ende dieser Verhandlung noch im Gerichtssaal vor den Augen ihres Ehemannes und ihres kleinen Sohnes mit 16 Messerstichen nieder. Sie starb noch im Gerichtssaal an ihren zahlreichen Verletzungen. Diese Episode wirft wichtige Fragen auf, nicht zuletzt die, welche Verantwortung der Justiz selbst beim Schutz von rassistisch Beleidigten in einem Gerichtsverfahren zukommt. Aber auch die Wirkungsgeschichte dieses Mordes steht im Fokus. Deswegen sind die Protagonistinnen dieser Episode zuallererst muslimische Frauen in Dresden.

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Eine dritte Episode porträtiert den Rapper Rashid Jadla aka Sonne Ra in Erfurt. Eindrücklich vor allem durch seine eigenen Berichte wird sein Aufwachsen in Erfurt als Sohn eines algerischen Vertragsarbeiters beleuchtet, seine Erfahrungen mit Rassismus in der DDR, auch gegen Kinder, sowie sein Kampf um Selbstbehauptung und die Verteidigung von Solidarität. Sein Weg zur Musik und die Wortbeiträge solidarischer Menschen, die ihn dabei begleitet haben, hinterlassen tiefe Eindrücke von einer Gesellschaft, in der Rassismus allgegenwärtig ist und die auf die Verteidigung von Solidarität angewiesen ist.

Nach einer in Kürze erscheinenden Episode über Baseballschlägerjahre in der Uckermark sind noch weitere Episoden geplant. Anspruch ist es zum einen, die verschiedenen Facetten von rechter Gewalt deutlich zu machen. Dabei spielen nicht nur rassistische Motive eine Rolle, sondern alle Formen von Ungleichwertigkeitsideologien – unter anderem gegen linke Jugendliche, gegen Arme, gegen LGBTTIQ*, Wohnungslose, Menschen mit Behinderungen, Jüdinnen* und Juden* und Sinti:zze und Rom:nja. Zum anderen soll auch gezeigt werden, dass rechte Ideologien und Verbrechen kein ostdeutsches Phänomen sind. Dass die ersten Folgen zwar in den neuen Bundesländern spielen, soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in allen Teilen der BRD schwere Verbrechen aus rechten Motiven gegeben hat. Nicht zuletzt die Morde des sogenannten NSU und der Anschlag von Hanau sowie alle damit im Zusammenhang stehenden Ermittlungsfehler und Mängel im Umgang mit Betroffenen und Hinterbliebenen haben in alten Bundesländern stattgefunden.

Die Webdokumentation „Gegen uns – Betroffene im Gespräch über rechte Gewalt nach 1990 und die Verteidigung der solidarischen Gesellschaft“ ist ein Gemeinschaftsprojekt des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e. V. und der Opferberatung „Support“ des RAA Sachsen e. V.

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