Neuigkeit 3. Februar 2022

Februar: Webdokumentation "Gegen uns" des RAA Sachsen e.V.

Im Mittelpunkt der Webdokumentationen stehen die Lebensgeschichten von Menschen, die aus unterschiedlichen rechten Motiven angegriffen wurden. Ihre Perspektiven und Erinnerungen sowie jene der ihnen nahestehenden Menschen sind dabei zentral. In den einzelnen Episoden berichten Betroffene über ihre Erfahrungen von Gewalt, Ausgrenzung und Kriminalisierung, aber auch von gelebter Solidarität und erfolgreichem Widerstand.

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Neben den Erzählungen ergänzen Fotos, zeitgeschichtliche Dokumente sowie Hintergrundtexte die Dokumentation und zeigen den gesellschaftlichen Kontext, in dem rechte Gewalt stattfindet.

Bisher erschienen Episoden über den rassistischen Mord an Jorge Gomondai in Dresden 1991, über Rassismus, rechte Gewalt und Migrantifa in Erfurt mit dem Rapper Rashid Jadla, über antimuslimische Gewalt gegen Frauen und den Mord an Marwa El-Sherbini im Landgericht Dresden 2009, über die Neunziger Jahre, die Baseballschlägerjahre, in der Uckermark und über Neonazi-Gewalt und rassistische Polizeiarbeit in Nürnberg. Die dem nächst erscheinende Folge beschäftigt sich mit rechter Gewalt gegen Wohnungslose in Mecklenburg-Vorpommern.

Diese ganz persönlichen Berichte verdeutlichen sowohl die Auswirkungen, die jene Gewalt auf das Leben der Protagonist*innen hat, als auch die gesellschaftlichen Folgen von Rassismus, Antisemitismus und rechter Gewalt. Beim Zuhören wird klar: Rechte Gewalt richtet sich gegen die Betroffenen, und auch gegen uns alle.

Die Webdokumentation ist ein Gemeinschaftsprojekt des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e. V. und der Opferberatung „Support“ der RAA Sachsen e. V. Sie wurde mit dem deutschen Einheitspreis 2020 in Silber, Kategorie Digital, und mit dem Grimme Online Award 2021, Kategorie Information, ausgezeichnet.

Die Jury des Grimme Online Award 2021 urteilte wie folgt:

Nicht nur um die Tat an sich geht es bei den tiefgehenden und deshalb herausragenden Recherchen; auch der gesellschaftliche Kontext und die Langzeitwirkungen für Betroffene und ihr Umfeld werden mit multimedialen Mitteln von allen Seiten beleuchtet. Archivfotos und Dokumente ergänzen die erschütternden Erzählungen von einem Leben in latenter Gefahr und Bedrohung, von Erniedrigungen, Angriffen, Misshandlungen und Mord. Im Zentrum der Geschichten stehen berührende Videos mit starken Interviews, in denen sich Betroffene und Augenzeugen an die Taten, aber auch an die Folgen erinnern. Die ruhigen, prägnanten Aufnahmen entwickeln dabei eine tiefe emotionale Kraft. Die besondere Stärke von „Gegen uns.“ ist die Verbindung verschiedener Erzählebenen und Darstellungsformen. Das abwechslungsreiche Wechselspiel von kurz und lang, von Text, Foto und Video zieht einen schnell und tief hinein in die Geschichten, die das Bild einer gefährlichen, aber auch gefährdeten Gesellschaft zeichnen. Seine besondere Wirkung erzielt „Gegen uns.“ durch das stringente Konzept und den klaren Aufbau. Die einzelnen Taten sowie ihre Vor- und Nachgeschichten verbinden sich so beim Anschauen der einzelnen Episoden immer mehr zu dem, was sie sind: ein Angriff auf das Gemeinwesen. „Gegen uns.“ trifft mitten ins Herz.

Für Projektleitung und Konzept ist Julia Oelkers von Out of Fokus zuständig. Idee, Redaktion, Texte und Recherche leisten Julia Oelkers, Katharina Wüstefeld, Ceren Türkmen, Heike Kleffner und Robert Kusche. Für einzelne Episoden arbeiteten sie u. a. mit ezra. Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen, Opferperspektive – Solidarisch gegen Rassismus, Diskriminierung und rechte Gewalt e. V. sowie B.U.D. (Beratung. Unterstützung. Dokumentation. Für Betroffene rechter Gewalt) zusammen.

Ergänzend hat die RAA Sachsen e. V. ein Methodenheft zur Webdokumentation herausgegeben. Dieses richtet sich an politische Bildner*innen und Lehrpersonen. Es stellt Ihnen eine Möglichkeit vor, junge Menschen in ihrer Auseinandersetzung mit der Webdokumentation »Gegen uns.« partizipativ und reflexiv zu begleiten. Zum Einstieg wird ein Projekttag vorgeschlagen, zusätzlich stehen mehrere Optionen zur Vertiefung zur Verfügung, die modular zusammengesetzt werden können. Beide Formate sind für 5 bis 30 Teilnehmende ab der Jahrgangsstufe 8 im außerschulischen oder schulischen Kontext geeignet. (https://gegenuns.de/methodenheft/)

Gegenstand dieser Weiterbildungsformate sind nicht nur die einzelnen Motive von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Ziel ist es, in einem partizipativen, bewertungsfreien Lernprozess das übergeordnete Prinzip und die Wirkmacht von rechter Gewalt bewusst zu machen: Es sind Individuen, die angegriffen werden und direkt oder indirekt von rechter Gewalt betroffen sind. Dabei richtet sich rechte Gewalt aber nicht ausschließlich gegen die Betroffenen, sondern gegen die gesamte pluralistische Gesellschaft. Werden Menschen aufgrund bestimmter Merkmale diskriminiert und angegriffen, verliert die Gesellschaft für alle ihre Mitglieder an Menschlichkeit und entfernt sich von einer solidarischen Gesellschaft der Vielfalt und Gleichberechtigung.

Das Projekt „Gegen uns“ wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, mit Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“, durch das Demokratiezentrum Sachsen sowie durch medico international.

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