Pressemitteilung: Große Erschütterung im Kampf gegen Antisemitismus
Auch die Generalstaatsanwaltschaft Dresden sieht sich außer Stande, den Begriff „Bombenholocaust“ als das zu verurteilen, was er ist: eine Verharmlosung und Relativierung des von den Nationalsozialist*innen begangenen industriellen Massenmordes an 6 Millionen Jüdinnen*Juden. Warum wir die Entscheidung für einen großen Fehler und ein fatales Zeichen im Kampf gegen Antisemitismus halten, lest ihr in unserer Pressemitteillung.
Im März 2022 stellte das BgA-Ostsachsen eine Strafanzeige gegen ein Transparent mit der Aufschrift „Ihr nennt es Befreiung. Wir nennen es Massenmord! // Bombenholocaust Dresden: 13.02.1945 […]“, welches anlässlich einer Neonazidemonstration am 13. Februar 2022 zum wiederholten Mal in der Stadt gezeigt wurde. Nach einem achtmonatigen Prüfverfahren verneinte die Staatsanwaltschaft Dresden die Strafbarkeit des Transparents nach § 130 Abs. 3 StGB (Volksverhetzungsparagraf). Auf die daraufhin eingelegte und ausführlich begründete Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden vom 24. Januar 2023 folgte zunächst ein Jahr lang keine Reaktion. Nun aber ist es offiziell: Die Generalstaatsanwaltschaft verweigert, das Transparent und seine Urheber*innen vor Gericht zu bringen.
Über die Dauer und Ergebnisse der Anzeigenprüfung durch die Staatsanwaltschaften zeigt sich die Anzeigenerstatterin Maren Düsberg vom RAA Sachsen e.V. zutiefst erschüttert:
„Als wir die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Dresden in den Händen hielten, dachten wir, schlimmer kann es nicht mehr kommen. Die Staatsanwaltschaft hatte sich damals weder um die Ermittlung der Träger*innen des Transparents bemüht, noch anerkannt, dass sich der Begriff ‚Bombenholocaust‘ auf die Massenvernichtung der europäischen Jüdinnen*Juden bezieht. Nach einem Jahr kommt jetzt aber der nächste Tiefschlag. Die Generalstaatsanwaltschaft akzeptiert zwar, dass es sich bei unserer Interpretation des Transparents um eine ‚denkbare Auslegungsvariante‘ handelt, weil sie aber wiederum nicht darauf eingeht, wer die Urheber*innen des Transparents sind, entscheidet sie sich im Zweifel für die Angeklagten: und das sind die Neonazis von Die Rechte. Besonders bitter ist diese Einschätzung angesichts der alarmierenden Höchststände antisemitischer Vorfälle nach dem 7. Oktober 2023. Gerade jetzt müssten den Bekenntnissen zu einem konsequenten Vorgehen gegen Antisemitismus Taten folgen.“
Die Rechtsanwältin vom BgA-Ostsachsen, Dr. Kati Lang, ergänzt:
„Es zeigt sich, dass auf die sächsische Justiz im Kampf gegen Antisemitismus kein Verlass ist. Die Begründung der Generalstaatsanwaltschaft ist juristische Kleinhäckselei, die schlussendlich zur Straflosigkeit führt. Da werden Worte und deren Bedeutung so lange zerpflückt bis vom eigentlichen Kontext kaum etwas übrig ist. Die Bekämpfung antisemitischer Straftaten, oft vollmundig angekündigt, verliert sich in akademischen Sprachgebilden. Mit den Entscheidungen zum Transparent ‚Bombenholocaust‘ offenbart sich wieder einmal ein Demokratie- und Geschichtsverständnis der Justiz, welches die Meinungsfreiheit rechtlich fragwürdig über alles stellt und rechtsextremer Agitation damit Tür und Tor öffnet.“
Dennoch bleibt das BgA-Ostsachsen dabei: Der Begriff „Bombenholocaust“ verharmlost und relativiert das Menschheitsverbrechen der Schoa. Dr. Kati Lang führt dazu aus:
„Der Begriff ‚Bombenholocaust‘ nimmt direkt Bezug auf das Grundwort Holocaust, was damit seinem Kontext entlehnt und in einen Zusammenhang mit der Bombardierung Dresdens gebracht wird. Beim Holocaust handelte es sich jedoch nicht um einen kriegerischen Akt, sondern um ein von langer Hand geplantes, systematisches Mordprogramm, das sich durch einen unbedingten Vernichtungswillen gegenüber Jüdinnen*Juden auszeichnete. Der Versuch, diesen Unterschied sprachlich einzuebnen, leugnet die antisemitische Dimension des Massenmordes und verschleiert sein wahres Ausmaß. Er muss daher als eine bewusste Verharmlosung der Schoa bewertet und zurückgewiesen werden.“
Mit der Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Dresden wird sich das BgA-Ostsachsen nicht zufriedengeben. Gemeinsam mit seiner Anwältin prüft das Bündnis weitere juristische Schritte. Doch auch Politik und Zivilgesellschaft sind gefordert. Dazu Maren Düsberg vom RAA Sachsen e.V.:
„Eine konsequente Strafverfolgung bei antisemitischen Straftaten läuft in der Praxis viel zu oft ins Leere. Unser Fall zeigt exemplarisch, dass es nicht weiterer, gerade diskutierter, Strafverschärfungen bedarf, sondern einer ehrlichen Auseinandersetzung mit dem historischen und fachspezifischen Unwissen in den Strafverfolgungsbehörden. Hier muss die Politik durch geeignete Fortbildungsangebote dringend Abhilfe schaffen.
Von der Stadt Dresden erwarten wir trotz der Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft solidarisch an der Seite der Jüdinnen*Juden zu stehen. An den Demonstrationsauflagen von 2023, die den Neonazis das Tragen des Transparentes untersagten, sollte unbedingt festgehalten werden.
Unser letzter Appell richtet sich an die Zivilgesellschaft: An den Mobilisierungserfolg gegen den Marsch der Neonazis am 11. Februar muss dringend angeschlossen werden. Beteiligt euch auch in Zukunft zahlreich an den Protesten gegen Neonazis und Neue Rechte. Zeigt, dass Geschichtsrevisionismus und Antisemitismus auf Dresdens Straßen nicht unwidersprochen bleiben!“
Das Bündnis gegen Antisemitismus in Dresden und Ostsachsen empfiehlt allen Demokrat*innen darüber hinaus die Teilnahme am Mahngang Täter*innenspuren. Dieser findet am 18. Februar 2024 um 14 Uhr an der Ecke Theaterstr./Hertha-Lindner-Str. statt und setzt sich kritisch mit den geschichtsrevisionistischen Erzählungen rund um die Bombardierung Dresdens auseinander.
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